Sich selbst verlieren. Und die Welt.
by Kai Voigtländer
Altersbedingt ging sie sich selbst verloren.
Gelesen habe ich das im Januar, in einem Nachruf auf Anne Rose Katz, geschrieben von Karl-Otto Sauer in der Süddeutschen. Der Satz geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Ich höre in ihm eine respektvolle Zärtlichkeit, die der Frau Katz auch im vermutbaren Elend ihre Würde lässt und sie nicht gaffender Neugierde oder den Indiskretionen der Phantasie ausliefert. Fast leicht klingt er, manchmal kommt ein Schlüsselbund abhanden, die Brille oder die Armbanduhr gehen verloren – und man sich dann eben auch mal selbst.
Überhaupt ein kleines Meisterwerk, auf 48 Zeilen ein Menschenleben zu verdichten. Leider ist der Text nicht online. Ich hätte sie gerne kennengelernt, dachte ich. Die Fernsehkritikerin und Essayistin, die Mutter, Journalistin, Geliebte, Hofnärrin, Emanze, wie sie über sich selbst sagte. Die Frau, deren Szegediner Gulasch am Faschingsdienstag einer der begehrtesten Termine im Münchener Kulturleben war. Zutritt nur mit persönlicher Einladung.
Als der Text erschien, war Anne Rose Katz schon ein Jahr tot. Der Welt verloren gegangen wie sich selbst.
Kleiner Nachtrag: Hier kann man Anne Rose Katz auch sehen und hören, bei einem Auftritt in der NDR-Talkshow. Wenn man das Gequatsche von Alida Gundlach erträgt.