fünfzehn / Mitgefangen Mitgehangen

19:00 Bordzeit

Was den Wissenschaftlern die Daten, das ist dem Kameramann das Motiv. Sieht Guido ein Motiv, dann kennt er keine Verwandten. Mit drei schnellen Schritten ist er mitten im Getümmel, eine leichte Linkswendung, drei Schritte nach rechts, die Kamera von der Schulter, auf den Boden, schräg von unten ist doch eine spannende Perspektive … dann auf die andere Seite, rauf auf die Schulter, wieder runter von der Schulter, jetzt noch ein Gang hinter dem Großkastengreifer her, die Kamera unter dem Arm, ein Auge am Sucher, das andere sucht schon das nächste Motiv. Alles gut. Nur leider hänge ich dran. Mit dem Mikrophon. Und mit den Kopfhörern, deren Verkabelung eher unelastisch ist.

Wie hieß noch mal dieses Tier, das bei Bedarf einen Halswirbel ausklinken und den Hals frei baumeln lassen kann, um sich unter irgendwelchen Hindernissen durch- oder in Mauselöcher hineinzuzwängen? Giraffe? Eine Schlangenart? Egal, dieses Tier wär ich gern. Bin ich aber nicht. Und so spüre ich mehrmals am Tag dieses spontane Rucken am sechsten Halswirbel, wenn Guido mit der Kamera zu Boden geht und ich nicht schnell genug das Haupt neige, in die Knie gehe oder die Kopfhörer abstreife. Oder alles gleichzeitig.

Vor ein paar Tagen läuft Guido auf dem Arbeitsdeck hinter ein Metallgestänge, um einer Geologengruppe zu folgen. Ich hechte hinterher, bloß leider auf der anderen Seite des Gestänges. Was so lange gut geht, bis eine Vertikalverstrebung aufragt aus diesem geologischen Gestänge. Guido läuft weiter, ich sehe mich schon stranguliert, gefesselt und enthauptet zur gleichen Zeit. Dann steht zum Glück Ian da. Ian MacNab, ein Fels in der Brandung der britischen Antarktisforschung. Dem werfe ich Mikrophon und Kopfhörer über das Gestänge zu, eine Sekunde, bevor alles heillos verknotet ist. Ich: schlangenartig um die Vertikalverstrebung herum. Greife mir aus Ians Händen wieder Mikrophon und Kopfhörer. Alles wieder gut. Bis ich aus den Augenwinkeln sehe, dass Guido, der Geologengruppe folgend, zu einem Schwenk ansetzt. In MEINE Richtung. Jetzt hilft nur eins: bäuchlings aufs Gestänge und ganz klein machen. Denn wenig schätzen Kameraleute so sehr wie Teammitglieder, die am Ende des Kunstschwenks dämlich grinsend im Bild rumstehen, den Puschel in der Hand. Guido dreht, ich liege bäuchlings. Die Geologengruppe geht in geordneter Reihe ab. Guido dreht, ich liege bäuchlings. Guido dreht. Dann setzt er die Kamera ab, sieht sich um. Huch, was machst Du denn da unten? Falsche Frage, Guido.